Ganze sechs Wochen dauerte die Vorbereitungsphase in Berlin, bis der Koffer gepackt war: frische Wäsche, ein Reiseführer und ein dickes Wörterbuch. Der Kopf voll von der Menge an Informationen, die man in der Zeit verinnerlichen musste.
Die jungen Leute mussten ihr etwas verstaubtes Englisch aus der Schulzeit auffrischen, sich die komplizierten polnischen Wörter und Redewendungen aneignen und sich vor allem die Frage stellen, „was will ich eigentlich in dem fremden Land jenseits der östlichen Grenze machen?“. Aber es ist geschafft! Mit dem Ticket in der Hand und Vorfreude im Gesicht, ließen sie weinende Familien und Freunde hinter sich und stiegen in den Zug Richtung Warschau ein, in dem bekannte Gesichter schon längst im Abteil saßen. In der Luft war eine gewisse Unruhe zu spüren. Trotzdem versuchten alle, miteinander freundlich zu reden. Jede Person hatte unterschiedliche Erwartungen. Es gab jedoch einen gemeinsamen Nenner: Die Lust aufs Entdecken und Erleben. Alle wollten einfach Warschau mit den eigenen Augen sehen. Während der Zeit in Berlin redeten viele über ihre Traumjobs und jetzt wollten sie ihr Traumpraktikum kennenlernen. Einige wollten auch ihre polnischen Sprachkenntnisse prüfen und schauen, ob sie imstande sind, sich ein Date auf Polnisch zu organisieren. Der Zug gewann an Fahrt.

 

AWarsaw_Rising_Museumls das Ziel erreicht war, waren alle ziemlich erstaunt. Alles sah so anders aus als in Berlin. Leute liefen hektisch den Zügen hinterher. Von den Lautsprechern kamen schnelle Ansagen in der Sprache, die nur die Polnisch-Muttersprachler unter ihnen verstehen konnten. Ein Gefühl der Fremdheit, leichtes Unbehagen kam auf.
Dann die Erleichterung: Zwei winkende Leute standen auf dem Gleis: Das waren Joanna und Radek, die Betreuer in Warschau. Als alle miteinander “Cześć” und “Dzień dobry” austauschten, waren sie endlich innerlich bereit, Berlin für die nächsten neun Wochen komplett hinter sich zu lassen.
Gleich gegenüber dem Hauptbahnhof der imposante Kulturpalast, der noch an die vergangene Epoche erinnert, drum herum nagelneue gläserne Wolkenkratzer, hier und dort kleine Altbauten. Man spürt, dass die Stadt boomt.
Quälende Ungewissheit in Bezug auf die nahe Zukunft verschwand endgültig, als Joanna und Radek der Gruppe die neuen Wohnungen zeigten.
Ein atemberaubender Ausblick über die Stadt inklusive. Alles Zweier-WG‘s - kaum voneinander entfernt, was das Leben um einiges leichter macht. Denn wenn man unterschiedliche Angelegenheiten in einem fremden Land erledigen muss, sei es eine neue SIM-Karte kaufen, nach Übersetzung fragen oder einfach etwas trinken gehen, klappt das gemeinsam viel einfacher.

 

Als die erste Warm-Up-Woche vorbei war, ging es zum ersten Mal zu den Praktikumsunternehmen. Vor dem Tag gab es in der Gruppe eine große Aufregung. Die einen gingen früher ins Bett und konnten kaum schlafen, andere kauften sich viele schicke Hemden, manche versuchten sich auf den letzten Drücker fließendes Polnisch beizubringen.
Wider Erwarten entpuppte sich kein einziger Arbeitgeber als schwierig. Alle Teilnehmer waren nach den ersten Arbeitstagen durchaus positiv überrascht. Klar, gerade in den ersten Wochen gab es unglaublich viele Informationen, die man sich aneignen musste. Die Köpfe arbeiteten so laut und so schnell wie ein Wasserkessel.
In der Gruppe gab es keine Langeweile, da jede Person was anderes zu tun bekommen hat: Michal kümmert sich am Flughafen um die Passagiere, damit sie sich im Flughafen nicht verirren; Mareike arbeitet im Zoo, wo sie den Tieren viel Liebe schenkt; Phillip lernt, wie man schwierige Geschichte im Gefängnismuseum Pawiak angemessen vermitteln kann; Cedric und Alex unterstützen beim Archivaufbau des Museums des Warschauer Aufstandes; Mateusz begrüßt mit einem Lächeln im Gesicht die Gäste im Hotel Hilton; Tankred bemüht sich, einigen Menschen Deutsch beizubringen und Łukasz unterstützt das Büro für Regionalplanung in Masowien. Es sieht so aus, dass jeder genau das richtige Praktikum bekommen hat. Mit Spannung blicken sie darauf, was die Stadt und die Arbeit in den Unternehmen zu bieten haben. Und hier passiert schon einiges.


Bilder und Text von Anna Maria Krężel